Gesundheitskompetenz - Was ist das?
Gesundheitskompetenz (Health Literacy) ist ein wichtiger Eckpunkt der Gesundheit und der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit aller in Österreich lebenden Menschen. Sie soll die Bevölkerung dabei unterstützen, im Alltag selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, die ihre Gesundheit fördern.
Was verstehen wir unter Gesundheitskompetenz?
Die Stärkung der Gesundheitskompetenz als wesentliche Determinante von Gesundheit wird seit etwa 20 Jahren zunehmend gefordert. Der Begriff und das Konzept von Gesundheitskompetenz wurden in dieser Zeit laufend weiterentwickelt.
Ursprünglich lag der Fokus auf der Wissensvermittlung an einzelne Personen, vor allem im Rahmen der Krankenbehandlung. Forschung und Praxis haben jedoch längst aufgezeigt, dass sich die für Gesundheitskompetenz nötigen persönlichen Fähigkeiten nur im Kontext systemischer Rahmenbedingungen gut entwickeln können.
Das heißt: Gesundheitskompetenz entsteht im Zusammenspiel von persönlicher Motivation (Wollen) und individuellen Kompetenzen (Können) in Auseinandersetzung mit der jeweiligen Informations- und Angebotsumwelt (Ermöglichen).
Das internationale WHO-Aktionsnetzwerk zur Messung von Gesundheitskompetenz (M-POHL) hat eine übergreifende Definition entwickelt, die auf diesem umfassenden Verständnis und auf früheren Definitionen aufbaut:
Gesundheitskompetenz verweist auf das Ausmaß, in dem Menschen in der Lage sind,
- auf Informationen jeglicher Art zuzugreifen, diese zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden,
- über gesundheitliche Anliegen zu sprechen,
- sowie Angebote in Anspruch zu nehmen,
um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu verbessern, Krankheiten vorzubeugen und zu bewältigen sowie andere in diesen Belangen zu unterstützen oder für sie Entscheidungen zu treffen.
GK wird von den sozialen, kulturellen und organisatorischen Kontexten beeinflusst, in denen Menschen aufwachsen, lernen, arbeiten, leben, versorgt werden und altern. Sie resultiert aus dem Zusammenspiel von persönlicher Motivation, individuellen Kompetenzen und der Zugänglichkeit, Verständlichkeit, Qualität und Benutzerfreundlichkeit von gesundheitsbezogenen Informationen und Angeboten sowie der verfügbaren Unterstützung bei der Bewältigung gesundheitlicher Herausforderungen.
Basiert auf: WHO 1986; Kwan et al. 2006; Parker/Ratzan 2010; Sørensen et al. 2012; The HLS19 Consortium of the WHO Action Network M-POHL 2021; Nutbeam/Muscat 2023

ÖPGK-eigene Darstellung nach Parker 2009
Quellen
- Kwan, Brenda; Frankish, Jim; Rootman, Irv; Zumbo, B; Kelly, K; Begoray, D; Kazanijan, A; Mullet, J; Hayes, M (2006): The development and validation of measures of “health literacy” in different populations. UBC Institute of Health Promotion Research and University of Victoria Community Health Promotion Research, Vancouver
- Nutbeam, Don; Muscat, Danielle M (2021): Health promotion glossary 2021. In: Health Promotion International 36/6:1578-1598
- Parker, R. (2009): Measures of Health Literacy. Workshop Summary: What? So What? Now What?, The National Academies Press, Washington.
- Parker, Ruth; Ratzan, Scott C (2010): Health literacy: a second decade of distinction for Americans. In: Journal of health communication 15/S2:20-33
- Sørensen, K.; Van den Broucke, S.; Fullam, J.; Doyle, G.; Pelikan, J.; Slonska, Z.; Brand, H. (2012): Health literacy and public health: a systematic review and integration of definitions and models. In: BMC Public Health 12/80
- The HLS19 Consortium of the WHO Action Network M-POHL (2021): International Report on the Methodology, Results, and Recommendations of the European Health Literacy Population Survey 2019-2021 (HLS19) of M-POHL. International Report. Austrian National Public Health Institute, Vienna
- WHO (1986): Ottawa Charter for Health Promotion. International Conference on Health Promotion, Ottawa
- WHO (2013): The Solid Facts Health Literacy. World Health Organization, Regional Office for Europe, Copenhagen.
Warum ist Gesundheitskompetenz wichtig?
Gesundheitskompetenz ist eine Schlüsseldeterminante von Gesundheit (WHO 2013). Ihre Wirkung hinsichtlich der Stärkung von Gesundheit und Erhöhung der Lebensqualität ist mittlerweile gut belegt. Umgekehrt wird eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz mit Risiken und Kosten in Verbindung gebracht. Vor allem sozioökonomisch benachteiligte und chronisch erkrankte Menschen sind von den negativen Auswirkungen überdurchschnittlich häufig betroffen.
Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz:
- nutzen u.a. weniger Präventionsprogramme,
- benötigen mehr Notfallbehandlung,
- haben mehr Krankenhausaufnahmen und ungeplante Wiederaufnahmen,
- nehmen ihre Medikamente weniger korrekt ein,
- haben ein schlechteres gesundheitliches Selbstmanagement und
- haben schlechtere Behandlungsergebnisse und ein höheres Komplikationsrisiko.
Niedrige Gesundheitskompetenz verursacht 3-5% der Behandlungskosten.
Quellen
- Berkman, N. D.; Sheridan, S. L.; Donahue, K. E.; Halpern, D. J.; Crotty, K. (2011): Low
Health Literacy and Health Outcomes: An Updated Systematic Review. In: Annals of
Internal Medicine 155/2:97–107. - Eichler, K.; Wieser, S.; Brügger, U. (2009): The Costs of Limited Health Literacy: A
Systematic Review. In: International Journal of Public Health 54/5:313. - Palumbo, R. (2017): Examining the Impacts of Health Literacy on Healthcare Costs.
An Evidence Synthesis. In: Health Services Management Research 30/4:197–212.
Wie gesundheitskompetent ist die österreichische Bevölkerung?
Die ersten Daten zur Gesundheitskompetenz der österreichischen Bevölkerung wurden 2011 im Rahmen des European Health Literacy Survey (HLS-EU) erhoben. Die Studie ergab, dass Österreich beim Thema Gesundheitskompetenz, verglichen mit sieben anderen europäischen Ländern, einen großen Nachholbedarf hat.
Um aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen zu beobachten, wurde im Jahr 2020 eine weitere Erhebung der Gesundheitskompetenz durchgeführt (HLS19-AT). Die HLS19-AT-Erhebung zeigt leichte Verbessrungen bei der allgemeinen GK. In der HLS19-AT wurden erstmals auch Daten zur digitalen GK, zur kommunikativen GK, zur navigationalen GK und zur GK in Bezug auf Impfungen erhoben. Es zeigt sich, dass die größten Herausforderungen bei der navigationalen und digitalen GK bestehen.
Information in ÖGS
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Mehr InformationenWas Gesundheitskompetenz ist und wie die Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) arbeitet, wird in diesem Video in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS) erklärt. In Kooperation mit der Marien Apotheke Wien, die mit ihrer Maßnahme “Barrierefreie Gesundheitsinformationen für gehörlose Menschen in Wien” ÖPGK-Mitglied ist, greift der erste gehörlose Apotheker, Mag. Sreco Dolanc, diese Themen auf.