Gesundheitskompetenz - Was ist das?
Gesundheitskompetenz (Health Literacy) ist ein wichtiger Eckpunkt der Gesundheit und der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit aller in Österreich lebenden Menschen. Sie soll die Bevölkerung dabei unterstützen, im Alltag selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, die ihre Gesundheit fördern.
Gesundheitskompetenz gewinnt seit den 1990er Jahren zunehmende internationale Bedeutung. Eine umfassende Definition von Gesundheitskompetenz wurde 2012 vom European Health Literacy Consortium entwickelt.
Gesundheitskompetenz ist verknüpft mit allgemeiner Bildung und umfasst
- das Wissen,
- die Motivation und
- die Fähigkeiten
von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen
- zu finden,
- zu verstehen,
- zu beurteilen und
- anzuwenden,
um im Alltag in den Bereichen Gesundheitsförderung (zur Erhaltung und Stärkung der Gesundheit), Prävention (zur Vorbeugung von Beschwerden oder Erkrankungen) und Krankenversorgung (bei bestehenden Beschwerden oder Erkrankungen) Entscheidungen treffen zu können, die zur Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität und Gesundheit während des gesamten Lebensverlaufs beitragen.
Ein weiteres wesentliches Bestimmungsstück von Gesundheitskompetenz ist das Verhältnis zwischen den persönlichen Fähigkeiten eines Menschen und den Gesundheitsinformationsangeboten, die sie in ihrem konkreten Umfeld (nicht) vorfinden.
Eine neuere Definition ist, die versucht, die individuelle und die organisationale Ebene zu verbinden wurde von der WHO (2021) entwickelt.
Gesundheitskompetenz umfasst das persönliche Wissen und die persönlichen Kompetenzen, die durch alltägliche Aktivitäten, soziale Interaktionen und über Generationen hinweg aufgebaut werden. Diese Kenntnisse und Kompetenzen ermöglichen es den Menschen im Zusammenspiel mit organisatorischen Strukturen und der Verfügbarkeit von Ressourcen, sich so Zugang zu Informationen und Dienstleistungen zu verschaffen, diese zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden, dass sie ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden für sich selbst und ihnen nahestehende Personen fördern und erhalten können (Arbeitsübersetzung der ÖPGK).
Warum ist Gesundheitskompetenz wichtig?
Gesundheitskompetenz ist eine Schlüsseldeterminante von Gesundheit (WHO 2013). Eine hohe persönliche Gesundheitskompetenz und die verständliche Gestaltung von Gesundheitsinformationen tragen dazu bei, Fragen der körperlichen und psychischen Gesundheit besser zu verstehen und gute gesundheitsbezogene Entscheidungen zu treffen.
Umgekehrt wird eingeschränkte Gesundheitskompetenz mit Risiken und Kosten in Verbindung gebracht. Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz:
- nutzen u.a. weniger Präventionsprogramme,
- benötigen mehr Notfallbehandlung,
- haben mehr Krankenhausaufnahmen und ungeplante Wiederaufnahmen,
- nehmen ihre Medikamente weniger korrekt ein,
- haben ein schlechteres gesundheitliches Selbstmanagement und
- haben schlechtere Behandlungsergebnisse und ein höheres Komplikationsrisiko.
Niedrige Gesundheitskompetenz verursacht 3-17% der Behandlungskosten. [1]
Vor allem sozioökonomisch benachteiligte Menschen sind von den negativen Auswirkungen überdurchschnittlich häufig betroffen.
Unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen wie der Anstieg der Lebenserwartung, die Zunahme chronischer Krankheiten, die Zunahme sozialer Ungleichheiten oder die Komplexität des Gesundheitssystems führen dazu, dass Gesundheitskompetenz zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Wie gesundheitskompetent ist die österreichische Bevölkerung?
Die ersten Daten zur Gesundheitskompetenz der österreichischen Bevölkerung wurden 2011 im Rahmen des European Health Literacy Survey (HLS-EU) erhoben. Die Studie ergab, dass Österreich beim Thema Gesundheitskompetenz, verglichen mit sieben anderen europäischen Ländern, einen großen Nachholbedarf hat. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde die Stärkung der Gesundheitskompetenz zu einem zentralen Eckpunkt der Gesundheitsreform in Österreich.
Zur Beobachtung der Entwicklungen im Bereich Gesundheitskompetenz wurde eine neuerliche Erhebung verankert, die im Rahmen der internationalen HLS19-Erhebung geplant und umgesetzt wurde. Die HLS19-AT hat – unter Berücksichtigung aktueller Trends und Herausforderungen – neben der Allgemeinen Gesundheitskompetenz erstmals auch Daten zur Digitalen Gesundheitskompetenz, zur Kommunikativen Gesundheitskompetenz, zur Navigations-Kompetenz und zur Gesundheitskompetenz im Zusammenhang mit dem Impfen erhoben. Die HLS19-AT-Erhebung bestätigt weitgehend die Ergebnisse der ersten Befragung, lässt aber einen leichten Anstieg in der allgemeinen Gesundheitskompetenz vermuten.
Quellen
- Altgeld, T., Kickbusch, I. (2012): Gesundheitsförderung und Prävention. In: Schwartz, F.W. et al. Public Health. Gesundheit und Gesundheitswesen. München, 188-196.
- Brach, C., Keller, D., Hernandez, L.M., Baur, C., Parker, R., Dreyer, B., Schyve, P., Lemerise, A.J., Schillinger, D. (2012): Ten attributes of health literate health care organizations. Institute of Medicine, Washington DC.
- Haun JN, Patel NR, French DD, Campbell RR, Bradham DD, Lapcevic WA. Association between health literacy and medical care costs in an integrated healthcare system: a regional population based study. BMC Health Serv Res. 2015 Jun 27;15:249. doi: 10.1186/s12913-015-0887-z. PMID: 26113118; PMCID: PMC4482196.
- Nutbeam, D. (2000): Health literacy as a public health goal: a challenge for contemporary health education and communication strategies into the 21st century. Health Promotion International, 15 (3), 259-267.
- Parker, R. (2009): Measures of Health Literacy. Workshop Summary: What? So What? Now What?, The National Academies Press, Washington.
- WHO (2013): The Solid Facts Health Literacy. World Health Organization, Regional Office for Europe, Copenhagen.
- WHO (2014): Health Literacy Toolkit for low- and middle-income countries: a series of information sheets to empower communities and strengthen health systems. World Health Organization, Regional Office for South-East Asia, New Delhi.
Information in ÖGS
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Mehr InformationenWas Gesundheitskompetenz ist und wie die Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) arbeitet, wird in diesem Video in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS) erklärt. In Kooperation mit der Marien Apotheke Wien, die mit ihrer Maßnahme “Barrierefreie Gesundheitsinformationen für gehörlose Menschen in Wien” ÖPGK-Mitglied ist, greift der erste gehörlose Apotheker, Mag. Sreco Dolanc, diese Themen auf.
Statements zu Gesundheitskompetenz
„Gesundheitskompetenz hängt sowohl von unseren persönlichen Fähigkeiten ab, als auch von zahlreichen Rahmenbedingungen in der Gesellschaft und im Gesundheitssystem. Mit der ÖPGK leisten wir einen bundesweiten Beitrag zur Verbesserung der Chancen für gute Gesundheitskompetenz in allen Gruppen der Bevölkerung. Insbesondere setzen wir uns für den Einsatz und die Verbreitung qualitativ hochwertiger, gut verständlicher und leicht zugänglicher Gesundheitsinformationen sowie für gute Orientierung im Gesundheitssystem ein.“
„Gesundheitskompetenz bedeutet, dass Patientinnen und Patienten mit dem guten Gefühl heimgehen, zu wissen, worum es geht und was die nächsten Schritte sein werden.“ „neunerhaus Arztpraxis und neunerhaus Zahnarztpraxis versorgen täglich neben PatientInnen aus der Wiener Wohnungslosenhilfe auch nicht versicherte Menschen aus EU-Staaten oder Menschen mit Fluchthintergrund. Für eine wirksame Behandlung ist das Sprachverständnis von zentraler Bedeutung. Wir arbeiten gezielt am Abbau von sprachlichen Barrieren und berücksichtigen den kulturellen Hintergrund der PatientInnen hinsichtlich ihres Verständnisses von Krankheit und Gesundheit.“
„Unser interdisziplinäres Team arbeitet in Kooperation mit Kindergärten, Schulen, Gemeinden und Betrieben daran, Gesundheitskompetenz und Lebensqualität zu fördern.“ „Als gemeinnützige, unabhängige NPO arbeitet Styria vitalis seit 1972 daran, die Lebensqualität in der Steiermark zu erhöhen. Als Verantwortliche für den Bereich Kinder und Jugendliche ist mir die frühe Förderung von Gesundheitskompetenz ein besonderes Anliegen. Dafür muss auf zwei Ebenen interveniert werden: Junge Menschen sollten einerseits für die Zielgruppe verständlich aufbereitetes gesundheitsbezogenes Wissen zur Verfügung haben und dieses verstehen, kritisch hinterfragen und anwenden können, um später ein gesundes Leben führen zu können. Kindergärten und Schulen können hierbei Vermittlungsarbeit leisten und wir unterstützen sie dabei. Auf der strukturellen Ebene ist es wichtig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die gesundheitskompetentes Verhalten ermöglichen, wie z.B. gesundes Essen und Trinken für alle verfügbar zu machen, Räume so zu gestalten, dass tägliche Bewegung möglich ist, Haltungen zu entwickeln, die Kinder und Jugendliche ermutigen, sich mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen. Die ÖPGK leistet hierfür wichtige Lobbyarbeit, die ich gerne mit meiner Expertise und meinen inhaltlichen Schwerpunkten unterstütze.“
„Die Jugendarbeit in Österreich fördert Gesundheit und schafft gesundheitskompetente Strukturen für Jugendliche und deren soziale Welten.“ „Jugendliche in Österreich, vor allem Mädchen und Burschen aus bildungsfernen und sozioökonomisch benachteiligten Lebenskontexten, weisen im Vergleich zu anderen Ländern der Europäischen Union eine geringe Gesundheitskompetenz auf. Die Offene Jugendarbeit hat in Kooperation mit den Jugendinfos wesentliche Kriterien zur gesundheitskompetenten Jugendeinrichtung definiert und setzt diese systematisch um.“
„Vernetzung von Sozialem und Gesundheit“ „Soziales und Gesundheit sind zwei Querschnittsmaterien, die in der Realität kaum trennbar sind. Die Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz fördert die Vernetzung beider Themen und das ist aus Sicht des Sozialministeriums der besondere Mehrwert daran.“