Gesundheitskompetenz (Health Literacy) ist ein wichtiger Eckpunkt der Gesundheit und der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit aller in Österreich lebenden Menschen. Sie soll die Bevölkerung dabei unterstützen, im Alltag selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, die ihre Gesundheit fördern.
Gesundheitskompetenz gewinnt seit den 1990er Jahren zunehmende internationale Bedeutung durch eine Reihe von Studien, die klare Zusammenhänge zwischen der Basisbildung (Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten) und der Gesundheit belegen. Diese Erkenntnisse inspirierten weitere Studien zur Erforschung, wie gut Patientinnen und Patienten Gesundheitsinformationen finden können, wie gut sie ihre Ärztin/ihren Arzt verstehen und wie sich dies auf den Behandlungserfolg auswirkt.
Gesundheitskompetenz hat auch in die Gesundheitsförderung Eingang gefunden und steht mit Schlüsselbegriffen wie Empowerment und Partizipation in Verbindung (Altgeld und Kickbusch 2012, Nutbeam 2000).
Gesundheitskompetenz ist einerseits eine Frage der persönlichen Fähigkeiten, hängt aber andererseits von den Anforderungen der Umgebung an diese Fähigkeiten ab (Parker 2009).

Um die persönliche Gesundheitskompetenz zu steigern, können Maßnahmen getroffen werden, bei denen Menschen in ihrem gesundheitsbezogenen Wissen und ihren gesundheitsbezogenen Fähigkeiten gefördert und unterstützt werden. Gleichzeitig gilt es immer auch die Motivation zu steigern, sich mit gesundheitsrelevanten Informationen auseinanderzusetzen, diese kritisch zu beurteilen und nach Möglichkeit selbstbestimmt anzuwenden.
Die Stärkung der Gesundheitskompetenz bedarf aber auch einer Verbesserung der Rahmenbedingungen und Informationsangebote im Sinne einer gesundheitskompetenten Gestaltung der sozialen Settings und Organisationen. Solche gesundheitskompetenten Organisationen erleichtern es den Menschen, Informationen und Dienste zu finden, zu verstehen und zu benutzen, um gute Gesundheitsentscheidungen zu treffen (Brach et al. 2012).
Definition von Gesundheitskompetenz
Gesundheitskompetenz ist verknüpft mit allgemeiner Bildung und umfasst
- das Wissen,
- die Motivation und
- die Fähigkeiten
von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen
- zu finden,
- zu verstehen,
- zu beurteilen und
- anzuwenden,
um im Alltag in den Bereichen
- Gesundheitsförderung (zur Erhaltung und Stärkung der Gesundheit),
- Prävention (zur Vorbeugung von Beschwerden oder Erkrankungen) und
- Krankenversorgung (bei bestehenden Beschwerden oder Erkrankungen)
Entscheidungen treffen zu können, die zur Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität und Gesundheit
während des gesamten Lebensverlaufs beitragen.
Gesundheitskompetenz – eine wichtige Voraussetzung für Gesundheit
Gesundheitskompetenz ist eine Schlüsseldeterminante von Gesundheit (WHO 2013). Eine hohe persönliche Gesundheitskompetenz und die verständliche Gestaltung von Gesundheitsinformationen tragen dazu bei, Fragen der körperlichen und psychischen Gesundheit besser zu verstehen und gute gesundheitsbezogene Entscheidungen zu treffen.
Geringe Gesundheitskompetenz hat eine Reihe negativer Auswirkungen auf die Gesundheit, z.B. geringere Therapietreue, häufigere späte Diagnosen, schlechtere Selbstmanagement-Fähigkeiten und höhere Risiken für chronische Erkrankungen. Sozio-ökonomisch benachteiligte Menschen sind von den negativen Auswirkungen überdurchschnittlich häufig betroffen. Auf Bevölkerungsebene verursacht geringe Gesundheitskompetenz hohe Kosten im Gesundheitssystem.
Video: Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken – Gesundheitsziel 3
Messen, planen, umsetzen
Gesundheitskompetenz ist messbar und wichtig, um Maßnahmen gezielt zu planen, umzusetzen und zu evaluieren. Die ersten Daten zur Gesundheitskompetenz der österreichischen Bevölkerung wurden 2011 im Rahmen des European Health Literacy Survey (HLS-EU) erhoben. Die Studie ergab, dass Österreich beim Thema Gesundheitskompetenz, verglichen mit sieben anderen europäischen Ländern, einen großen Nachholbedarf hat. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde die Stärkung der Gesundheitskompetenz zu einem zentralen Eckpunkt der Gesundheitsreform in Österreich.
Zur Beobachtung der Entwicklungen im Bereich GK wurde eine neuerliche Erhebung verankert, die im Rahmen der internationalen HLS19-Erhebung geplant und umgesetzt wurde. Die HLS19-AT hat – unter Berücksichtigung aktueller Trends und Herausforderungen – neben der Allgemeinen Gesundheitskompetenz erstmals auch Daten zur Digitalen Gesundheitskompetenz, zur Kommunikativen Gesundheitskompetenz, zur Navigations-Kompetenz und zur Gesundheitskompetenz im Zusammenhang mit dem Impfen erhoben. Die HLS19-AT-Erhebung bestätigt weitgehend die Ergebnisse der ersten Befragung, lässt aber einen leichten Anstieg in der allgemeinen Gesundheitskompetenz vermuten. Den Ergebnisbericht finden Sie hier.
Referenzen
- Altgeld, T., Kickbusch, I. (2012): Gesundheitsförderung und Prävention. In: Schwartz, F.W. et al. Public Health. Gesundheit und Gesundheitswesen. München, 188-196.
- Brach, C., Keller, D., Hernandez, L.M., Baur, C., Parker, R., Dreyer, B., Schyve, P., Lemerise, A.J., Schillinger, D. (2012): Ten attributes of health literate health care organizations. Institute of Medicine, Washington DC.
- Nutbeam, D. (2000): Health literacy as a public health goal: a challenge for contemporary health education and communication strategies into the 21st century. Health Promotion International, 15 (3), 259-267.
- Parker, R. (2009): Measures of Health Literacy. Workshop Summary: What? So What? Now What?, The National Academies Press, Washington.
- WHO (2013): The Solid Facts Health Literacy. World Health Organization, Regional Office for Europe, Copenhagen.
- WHO (2014): Health Literacy Toolkit for low- and middle-income countries: a series of information sheets to empower communities and strengthen health systems. World Health Organization, Regional Office for South-East Asia, New Delhi.