Gesundsein – Gesundheitskompetenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Einrichtung: Wiener Gesundheitsförderung

Zuständiger Leiter: Dennis Beck

Maßnahmenkoordinatorin: Martina Daim, martina.daim@wig.or.at

Laufzeit: 7. Jänner 2015 bis 31. Dezember 2020

Beschreibung

Durch die partizipative Entwicklung und Umsetzung eines zielgruppenspezifischen Kurs-Curriculums sowie begleitender Multiplikatoren-Schulungen soll die Förderung der Gesundheitskompetenz von erwachsenen Menschen mit Lernschwierigkeiten in Wien erreicht werden.

Ausgangslage

Menschen mit Lernschwierigkeiten werden mit dem Thema Gesundheitsförderung kaum erreicht. Es gibt im deutschsprachigen Raum kaum Konzepte oder wissenschaftlichen Diskurs zu Gesundheitsförderung für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Die HLS-EU Studie zeigt, dass Menschen mit Behinderungen häufig eine unzureichende Gesundheitskompetenz aufweisen. Die Nutzung des Gesundheitssystems stellt für Menschen mit Lernschwierigkeiten eine besondere Herausforderung dar. Dies ist sowohl auf geringe persönliche Kompetenzen vor allem aber auf Barrieren im Zugang, in der Ausstattung und in der Kommunikation zurückzuführen. Interessenvertretungen, Selbstvertreterinnen/Selbstvertreter und unabhängige Gremien sehen einen hohen Bedarf an verständlichen Informationen und spezifischen Schulungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu Körperwissen, gesundem Verhalten und dem Gesundheitssystem. Im Rahmen des Projektsziel.sicher.gesund. – Gesundheitskompetenz für Patientinnen/Patienten (01/2014 – 12/2016) der Wiener Gesundheitsförderung wurde ein Kurs-Curriculum zur Förderung der Gesundheitskompetenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten partizipativ entwickelt. Das Kursprogramm sowie Begleitmaßnahmen werden seit 2015 in Wien umgesetzt und laufend evaluiert. Die Erfahrungen fließen im Sinne der Qualitätssicherung in das Kurs-Curriculum ein. Begleitmaßnahmen werden (weiter-)entwickelt und umgesetzt.

Zielsetzung

Strategisches Ziel des Projekts ist die Förderung der Gesundheitskompetenz von erwachsenen Menschen mit Lernschwierigkeiten in Wien. Konkret soll dies durch die partizipative Entwicklung und Umsetzung eines zielgruppenspezifischen Kurs-Curriculums sowie begleitender Multiplikatoren-Schulungen erreicht werden. Konkret soll die

  • Stärkung der Rolle als Expertinnen/Experten für die eigene Gesundheit,
  • Förderung der Entscheidungs- und Problemlösungskompetenz in Bezug auf die eigene Gesundheit,
  • Stärkung der Fähigkeit das Gesundheits- und Sozialwesen bedarfsorientiert zu nutzen,
  • Förderung von Selbstbestimmung,
  • sowie die Förderung eines umfassenden Verständnisses von Gesundheit (gemäß der WHO Definition von Gesundheit) erreicht werden.

Im Besonderen sollen die Kompetenzen und Bedürfnisse der Zielgruppe sowohl in der Entwicklungs- als auch in der Umsetzungsphase des Projekts berücksichtigt werden.

Methodik

Auf Basis von Literaturrecherche, Modellen guter Praxis und Fokusgruppen mit Selbstvertreterinnen/Selbstvertretern und Fachpersonen wurden die Eckpunkte für ein Kurs- Curriculum zur Förderung der Gesundheitskompetenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten festgelegt: Wesentliche Inhalte:

  • Determinanten von Gesundheit
  • Körperwissen und Körperwahrnehmung
  • seelische Gesundheit
  • Verhalten im Krankheitsfall und Orientierung im Gesundheitswesen
  • Sexualitäten
  • Selbstbestimmung in Bezug auf die eigene Gesundheit
  • Umgang mit Informationen

Als spezifische Charakteristika wurden definiert:

  • Die Teilnehmerinnen/Teilnehmer erhalten das für sie relevante Wissen zu den Themen in für sie verständlicher Form (Leichte Sprache) und kennen Möglichkeiten, dieses Wissen in ihrem Alltag anzuwenden.
  • Die Teilnehmerinnen/Teilnehmer sind motiviert, sich während der Einheiten und darüber hinaus mit den Themen zu befassen.
  • Die Teilnehmerinnen/Teilnehmer erhalten leicht anwendbare und selbständig umsetzbare Tipps und Übungen für ihren Alltag.
  • Das attraktive, individuell gestaltbare Skriptum wird von den
    Teilnehmerinnen/Teilnehmern auch nach dem Kurs verwendet.

Unter partnerschaftlicher Einbeziehung von Selbstvertreterinnen/Selbstvertreter wurde ein Kursprogramm in sechs aufbauenden Modulen für je sechs Teilnehmerinnen/Teilnehmer einschließlich Hintergrundinformationen, Stundentafeln, Methoden, Arbeitsblättern und begleitenden Multiplikatoren-Schulungen entwickelt. Es schließt an den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs an und kommt durch den gewählten pädagogischen Zugang den Forderungen der UN-Behindertenrechts-Konvention nach. 8 Trainerinnen/Trainer wurden in der Umsetzung der Kurse geschult. Die Trainerinnen/Trainer stehen im fachlichen Austausch miteinander und mit dem Projektteam der WiG. Es finden regelmäßig Reflexionstreffen statt.

In einer Pilotphase (04-06/2015) wurden acht Kursen umgesetzt und evaluiert. Die Rückmeldungen von Teilnehmerinnen/Teilnehmern,    Trainerinnen/Trainern, Umsetzungspartnern und Stakeholdern wurden in der Evaluation berücksichtigt. Basierend auf den Ergebnissen wurden Konzepte sowie Produkte und Materialien angepasst und überarbeitet. Seit 01/2016 Ausrollung der Gesundsein-Kurse in Wien in Kooperation mit Einrichtungen der Behindertenhilfe und als freie Kurse in Kooperation mit dem Selbstvertretungszentrum für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Begleitend MitarbeiterInnen-Workshops sowie vertiefende Weiterbildungen für Multiplikatorinnen/Multiplikatoren. Laufende Evaluation und Weiterentwicklung des Kurs-Curriculums und begleitender Maßnahmen.

Aktuell (08/2017) wurden zur Förderung von Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit folgende Elemente neu entwickelt:

  • vorbereitende Info-Foren
  • der „Gesundsein Pass“ und der
  • „Gesundsein-Pass fürs Weitermachen“

Peer Groups für Personen, die den Kurs abgeschlossen haben. Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Bewerbung und Sensibilisierung wird umgesetzt.

Methoden: Flyer, Berichte in Fachmedien, Projektpräsentation Webauftritt, Info-Clip.

Beitrag zum Wirkungsziel 2

Bereits seit der Projektentwicklung orientieren wir uns am Gesundheitsziel 3, Wirkungsziel 2 – die persönliche Gesundheitskompetenz unter Berücksichtigung von vulnerablen Zielgruppen stärken. Deutlich wird dies in der Wahl der Zielgruppe, beim Betrachten der Projektziele sowie in der Qualität und Schwerpunktsetzung der Aktivitäten im Projekt. Konkret wird durch die Maßnahme Gesundsein eine vulnerable Zielgruppe erreicht, die in hohem Maße von gesundheitlicher Ungleichheit betroffen ist und bislang von Gesundheitsförderung kaum erreicht wird. Einige Beispiele um zu verdeutlichen, wie durch die Maßnahme zur Erreichung des Wirkungsziels 2 beigetragen wird: Im Kurs werden Teilnehmerinnen/Teilnehmer explizit in ihrer Selbstbestimmung in Bezug auf ihre Gesundheit gestärkt. Für die Notwendigkeit eines kritischen und bewussten Umgangs mit gesundheitsrelevanten Informationen wird sensibilisiert. Dieser kritische Umgang wird im Kurs an Hand von Broschüren in Leichter Sprache praktisch geübt. Fähigkeiten und Kompetenzen, um im Krankheitsfall die richtigen Informationen zu finden, zu verstehen und danach zu handeln, werden vermittelt und geübt. Es wird ein breites Verständnis von Gesundheit vermittelt. Gleichzeitig wird durch die interaktiven und am Alltag der Teilnehmerinnen/Teilnehmer orientierten Methoden die Motivation gefördert, die eigene Gesundheit positiv zu beeinflussen. Betreuerinnen/Betreuern und Angehörige von Menschen mit Lernschwierigkeiten lernen und üben in Weiterbildungen, wie sie in Ihrem (Arbeits-)alltag zu mehr Gesundheitskompetenz der Menschen mit Lernschwierigkeiten beitragen können.

11.10.2018
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