Epilepsieberatung EIZ – Epilepsie im Zentrum
Einrichtung: Institut für Epilepsie IfE gGmbH
Zuständige Leiterin & Maßnahmenkoordinatorin: Mag.a Elisabeth Pless, elisabeth.pless@epilepsieundarbeit.at
Laufzeit: 1. Jänner 2019 bis 31. Dezember 2024
Schwerpunkte: Gute Gesundheitsinformation (GGI), Gute Gesprächsqualität im Gesundheitssystem (GGQ)
Wirkungsbereich: Steiermark
Beschreibung
Man kann sich auf die Krankheit Epilepsie nicht vorbereiten. Die Diagnose trifft Familien wie ein Blitz aus heiterem Himmel, egal ob plötzlich Mutter oder Vater eines epilepsiekranken Kindes oder als Erwachsener selbst erkrankt. Angst vor den Anfällen, Ablehnung durch das Umfeld, Unsicherheit, Alltagsschwierigkeiten, Behördendschungel, Arztsuche, Schul- oder Arbeitsplatzprobleme, Existenzängste, soziale Probleme und vieles mehr. Das erleben Menschen mit Epilepsie und deren Familien nur zu oft. Eine nichtmedizinische Anlauf-, Informations- und Servicestelle unterstützt alle Ratsuchende zum Thema Epilepsie in der Steiermark (eingeschränkt in ganz Österreich).
Ausgangslage
Epileptische Anfälle können sehr unterschiedlich ablaufen und auch sehr unterschiedliche Auswirkungen auf das Alltagsleben der Betroffenen haben. Anfälle können von wenigen Sekunden bis zu einigen Minuten dauern. Das Bewusstsein kann während des Anfalls erhalten oder gestört sein. Manche Anfälle werden von Laien gar nicht als solche erkannt. Bei anderen kommt es zu auffälligem Nesteln an der Kleidung, unter Umständen zu heftigen Zuckungen am ganzen Körper oder zu einem Sturz.
Prävalenz: Weltweit erkranken etwa 3 bis 5 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an Epilepsie, meistens nur vorübergehend. Die Prävalenz aktiver Epilepsien in Europa wird von der WHO mit 0,83 % angegeben.
Inzidenz: In Österreich leben ca. 80.000 Menschen mit Epilepsie. Die Zahl der jährlich neu erkrankenden Personen in Österreich beträgt bis zu 13.500 Personen. Rechnet man die Angehörigen hinzu, wird der Kreis der Betroffen noch wesentlich größer.
Bei einer optimalen medikamentösen Therapie werden etwa 1/3 der Patientinnen/Patienten anfallsfrei. Für einen Teil der pharmakoresistenten Menschen besteht die Option auf einen epilepsiechirurgischen Eingriff.
Lt. WHO werden 50 % der Betroffenen nicht optimal behandelt. Nicht nur, dass durch diese Behandlungslücke Anfallskranken und ihren Familien ein normales Leben verwehrt wird, entsteht auch ein großer volkswirtschaftlicher Schaden. Aus Unwissenheit und Angst ist Epilepsie auch heute noch ein Diskriminierungsgrund. Meist leiden Menschen mit Epilepsie und deren Familien mehr unter der sozialen Ausgrenzung als unter der Krankheit selbst. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass ca. 60 % aller Menschen mit Epilepsie zumindest vorübergehend an Depressionen leiden; die Suizidrate ist ca. 5–10-fach erhöht, innerhalb der ersten sechs Monate nach der Erstdiagnose 25-fach erhöht. Die mangelnde Inklusion Betroffener beginnt in der Schule und wirkt sich auch am Arbeitsmarkt aus. Statistiken belegen, dass Anfallskranke im Durchschnitt den gleichen IQ wie die Gesamtbevölkerung haben. Allerdings erreichen Personen mit Epilepsie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung nur eine unterdurchschnittliche Bildung. Die Schullaufbahn und der Schulabschluss sind entscheidende Faktoren für den Lebens- und Berufsweg. Bekannter Weise hat eine schlechtere Schulbildung auch schlechtere Jobaussichten zur Folge. Die Arbeitslosigkeitsrate unter Menschen mit Epilepsie ist im Vergleich zur Arbeitslosenrate der Gesamtbevölkerung etwa doppelt so hoch. Familien fühlen sich oft mit der Diagnose Epilepsie überfordert. Meist ändert sich auch das Familiengefüge, wenn ein Familienmitglied erkrankt. Die Diagnose Epilepsie trifft die meisten Betroffenen und Angehörigen völlig unvorbereitet und mutet ihnen zu, sich auf viele Aspekte in ihrem Leben neu einzustellen. Die meisten Betroffenen und Angehörige wissen wenig über Epilepsie. Althergebrachte Mythen überschatten das spärliche Faktenwissen. Sie verfügen weder über ausreichendes Wissen zu Diagnose und Therapie, noch über die praktischen Dinge, die die Bewältigung des Alltags mit Epilepsie erleichtern. Das wirkt sich negativ auf den Therapieerfolg, Krankheitsbewältigung und Lebensqualität aus.
Zielsetzung
Die Anzahl an Ratsuchenden zum Thema Epilepsie, die sie sich bei Institut für Epilepsie IfE gemeinnützige GmbH, steigt jährlich. 2019 haben 378, 2020 355 Beratungen im Rahmen von EIZ stattgefunden. Unsere Homepage und unser Facebook Auftritt ergänzen das Beratungsangebot mit aktuellen Meldungen und Informationen zu Epilepsie.
Informations- und Öffentlichkeitsarbeit
Für die Eingliederung ausgegrenzter und stigmatisierter Personengruppen ist eine Bewusstseinsbildung auf mehreren Ebenen notwendig, wo wir die Unterstützung von Multiplikatorinnen/Multiplikatoren brauchen, die ihrerseits erst sensibilisiert werden müssen. Dies geschieht durch:
- Aussteller/Beiträge bei Informationsveranstaltungen und (Gesundheits-)Messen zur Gewinnung von Multiplikatorinnen/Multiplikatoren
- Homepage/Facebook/Social Media: Eine informative und ansprechende Homepage ist für den Erstkontakt zu Menschen mit Epilepsie besonders wichtig. Sie unterstützt den Schritt, sich aus der Anonymität des Internets heraus zu begeben und Hilfe in Anspruch zu nehmen, maßgeblich.
- Presse
Kooperation und Vernetzung
Die Beratungsstelle EIZ baut Kooperationen mit den niedergelassenen Ärztinnen/Ärzten, Neurologinnen/Neurologen, Epileptologinnen/Epileptologen, Kinderärztinnen/-ärzten und Kliniken auf. Sie bezieht alle Berufsgruppen mit ein, die an der Inklusion von epilepsiekranken Menschen beteiligt sind. Insbesondere strebt die Beratungsstelle eine Zusammenarbeit mit folgenden Organisationen und Einrichtungen an: Bezirksbehörden, Gemeinden, Kindergärten, Schulen, Spezialambulanzen, Neurologinnen/Neurologen, Epilepsie-Selbsthilfegruppen, Österreichische Gesellschaft für Epileptologie, Liga gegen Epilepsie International, Bayrischer Epilepsie Landesverband, nichtmedizinische Epilepsieberatungsstellen in Deutschland etc. Die intensive Zusammenarbeit und Netzwerkbildung dient einerseits der Sensibilisierung bzgl. Epilepsie, andererseits der Bildung von Arbeitsgruppen um Lösungen für verschiedene Fragestellungen in Kooperation kompetent zu erarbeiten. Über das Netzwerk wird auch die Zielgruppe besser erreicht.
Zielgruppen
- Menschen mit Epilepsie und deren Angehörige
- Ratsuchende, wie Arbeitgeberinnen/Arbeitgeber, Ausbildnerinnen/Ausbildner, Lehrerinnen/Lehrer, Erzieherinnen/Erzieher, Personen aus den Gesundheitsberufen, etc.
- alle, die sich für das Thema Epilepsie interessieren.
Methodik
Die Maßnahmen werden in Zusammenarbeit der beiden Projektpartner geplant. Das Institut für Epilepsie stellt die professionelle Beratung durch Epilepsiefachberaterinnen/-berater. Die Epilepsie Interessensgemeinschaft Österreich bringt im Rahmen der Peerberatung die Kompetenz in eigener Sache für Betroffene und Angehörige ein. Für die erfolgreiche und nachhaltige Inklusion von Menschen mit Epilepsie müssen parallel verschiedene Zielgruppen angesprochen werden.
Zielgruppen einer nichtmedizinischen Epilepsieberatungsstelle sind:
- Menschen mit Epilepsie und deren Angehörige
- Ratsuchende, wie Arbeitgeberinnen/Arbeitgeber, Ausbildnerinnen/Ausbildner, Lehrerinnen/Lehrer, Erzieherinnen/Erzieher, Personen aus den Gesundheitsberufen, etc.
- alle, die sich für das Thema Epilepsie interessieren.
Ein Maßnamenmix gewährleistet die erfolgreiche Umsetzung des Projektes.
- Beratung und Unterstützung / Casemanagement: Epilepsie ist eine Erkrankung, die sich sehr individuell äußert und sehr spezifische Problemlagen hervorruft. Eine individuelle Beratung ist daher absolut notwendig. Vor allem unterstützt die Beratungsstelle Menschen mit Epilepsie im Umgang mit den sozialen und rechtlichen Folgen der chronischen Erkrankung. Zusätzlich umfasst die Beratung bei Epilepsie allgemeine Informationen zum Krankheitsbild und zur Ersten Hilfe bei epileptischen Anfällen. Die Beratung erfolgt durch eine Epilepsiefachberaterin/einen Epilepsiefachberater vorwiegend in Einzelgesprächen für Betroffene, deren Angehörige und/oder deren Freundinnen/Freunde sowie Interessierte, die beruflich oder privat mit Menschen mit Epilepsie konfrontiert sind:
- Informationen über Krankheitsbild, Behandlungsmöglichkeiten (keine ärztliche Betreuung!)
- Umgang mit der Erkrankung: Anfallssituation, Erste Hilfe
- persönliche, familiäre und soziale Problemstellungen
- Krankheitsverarbeitung, Beratung zu allen Fragen des täglichen Lebens (Wohnen, Freizeit, Sport, usw.)
- Hilfestellung bei schulischen Fragen / Kindergarten / Ausbildung und Beruf
- Information und Unterstützung bei der Regelung rechtlicher Fragestellungen (Führerschein, Behindertenausweis, etc.)
- Familie, Partnerschaft und Kinderwunsch
- Patientenschulungen MOSES: bei Bedarf Abhaltung für Patientinnen/Patienten und Angehörige. Die Beratung kann persönlich, per Mail oder per Telefon erfolgen und mündet bei Bedarf und Wunsch des Betroffenen in einem Casemanagement.
- Telefonhotline: wichtig für niederschwelligen Zugang und Erstkontakt, somit Vorstufe zum Casemanagement
- Epilepsie Informationsveranstaltung / Vortrag und Diskussion:
- Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zum Thema Epilepsie für Menschen mit Epilepsie, deren Angehörige und andere Interessierte
- Kooperation und Vernetzung: siehe Zielsetzung der Maßnahme
Beitrag zum Wirkungsziel 1
Die Epilepsieberatungsstelle dient dazu, Menschen mit Epilepsie und deren Angehörige im nicht-medizinischen Bereich entsprechend betreuen zu können. Dazu gehören u.a. folgende Aspekte:
- Unterstützung von Personen mit Epilepsie und deren Angehörigen im nicht-medizinischen Bereich (psychosoziale Probleme) und individuelle Beratung durch Epilepsieberaterinnen/-berater – Wissensaufbau Krankheitsverständnis (hier Epilepsie und Komorbiditäten) und Krankheitsbewältigung insbesondere bzgl. Umgang mit epileptischen Anfällen / Erste Hilfe.
- Zusätzlich bietet die Internet-, Facebook- und Telefonberatung durch die Epilepsieberatungsstelle ein niederschwelliges Informationsangebot für Personen, die in der Öffentlichkeit nicht mit Epilepsie in Verbindung gebracht werden wollen.
- Erweiterung von Angeboten in Österreich im Sinne der Gesundheitsförderung für Personen mit Epilepsie.
- Einbeziehung von Betroffenen in die Gestaltung und gemeinsame Interessensvertretung.
- Durch die Beratung kommt es zu einer Stärkung der Handlungskompetenz von Betroffenen, deren Angehörigen und Personen, die beruflich mit Epilepsie konfrontiert sind, im Umgang mit der Erkrankung.
- Die Beratungsstelle steht auch Personen aus Gesundheitsberufe zur Verfügung, um diese zusätzlich über verschiedene Alltagsaspekte bzgl. Epilepsie zu informieren.
- Eine individuelle Risikoeinschätzung bzgl. Gefahr von Unfällen, Abklärung für Schule, Arbeitsplatz und Freizeit, insbesondere Sport für Betroffene.
Beitrag zum Wirkungsziel 2
Die Epilepsiefachberaterinnen/-berater informiert, welcher Weg zur Diagnose führt. Wozu dient eine spezielle Untersuchung? Wie kann man sich auf einen geplanten Krankenhausaufenthalt vorbereiten? Was ist eine Epileptologin/ein Epileptologe? Wann ist eine Blutspiegeluntersuchung sinnvoll und notwendig? Wann sind Bedenken bzgl. Neben- oder Wechselwirkungen von Antiepileptika gerechtfertigt? Vorbereitung auf das Arztgespräch! Patientinnen/Patienten wissen dann besser Bescheid, welche Untersuchungsmöglichkeiten und welche Therapien es bei Epilepsie gibt, um die optimale Behandlung zu erhalten, entsprechend einer evidenzbasierten Medizin. Um die Compliance bei Personen mit Epilepsie zu erhöhen ist es wichtig, dass sie besser über die Notwendigkeit der Einnahme von Medikamenten sowie über die Folgen bei Nichteinnahme oder abruptem Absetzen informiert sind. Oft wird der Befund, trotz Besprechung mit der Ärztin/dem Arzt, von Patientinnen/Patienten und Angehörigen nicht verstanden, entweder, weil zu viele Fremdworte die Texte für Laien unverständlich machen oder/und weil der Schock über die Diagnose Epilepsie die Aufnahme von anderen Informationen verhindert. Um Unklarheiten zu bereinigen, müssen Patientinnen/Patienten und Angehörige auf das nächste Arztgespräch vorbereitet werden. Ohne vorangegangene Beratung haben Patientinnen/Patienten mit niedrigerem Bildungsstand schlechtere Chancen zu den Informationen zu kommen, die eine optimale Epilepsietherapie ermöglichen. Informierte Epilepsie-Patient*innen können beim Arztgespräch den Inhalten besser folgen und können auch die für sie offenen Fragen besser ansprechen.